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News: Nach 24 Jahren wurde wieder ein Rettungsboot auf Juist getauft

Beigetragen von S.Erdmann am 02. Apr 2017 - 17:44 Uhr

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Das jüngste Schiff der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wurde am Samstagnachmittag auf den Namen „Hans Dittmer“ getauft. Zur Taufe am Stationsgebäude, dem Otto-Mann-Haus auf Juist, begrüßte die DGzRS zahlreiche Gäste und viele Schaulustige. Martina Janssen-Visser, Mutter des Vormanns der Station, taufte das Seenotrettungsboot und wünschte „allzeit gute Fahrt und der Besatzung stets eine sichere Heimkehr“.

Gerhard Harder, Vorsitzender der DGzRS, begrüßte die Anwesenden und informierte in seiner Rede darüber, wie es zu dem Namen kam. Finanziert wurde der Neubau nämlich durch den Nachlass von Hannaliese und Hans Dittmer, die die DGzRS mit einer außerordentlichen Zuwendung berücksichtigten, zweckgebunden für den Neubau einer Rettungseinheit. Hans Dittmer verstarb bereits 1989, seine Ehefrau Hannaliese im Jahr 2015. Sowohl Hans Dittmer als auch sein Vater waren in der Schifffahrt tätig. Das ursprünglich aus der Dittmer-Familie stammende Vermögen kam somit aus der Schifffahrt, und Hannaliese Dittmer vermachte es der DGzRS, um nach ihrem und dem Willen ihres verstorbenen Mannes damit ein neues Schiff für die Seenotretter zu bauen.

„Das ist für uns ein sehr großer Vertrauensbeweis“, so Harder. „Ein Nachlass dieser Art gibt uns die Freiheit, einer Station ein neues, modernes und sehr sicheres Einsatzfahrzeug zu bieten, denn natürlich ist unser oberstes Ziel nicht nur, Menschen aus Seenot zu retten, sondern auch, dass unsere Besatzungen von jedem Einsatz heil und gesund zurückkehren. Wir sind Hannaliese und Hans Dittmer außerordentlich dankbar, dass sie uns mit ihrem Nachlass den Bau dieses Seenotrettungsbootes ermöglicht haben.“

Juist sei ein schwieriges Revier, stellte der Chef der Seenotretter fest. Im Norden eine der am meisten befahrensten Schifffahrtswege, im Osten das Norderneyer Seegat, vor dem man viel Respekt haben müsse, im Westen die Osterems, Memmert und die stark veränderlichen Sände und Fahrwasser Haaks Gat und die Kachelotplate, und im Süden schließlich das Wattenmeer mit seinen Besonderheiten. Harder erinnerte in seiner Ansprache auch noch mal an den besonders tragischen Seenotfall im Jahr 1931, als im Haaks Gat 15 junge Borkumer den Tod durch Ertrinken fanden und es nur vier Überlebende gab: „Mit den modernen Kommunikationsmitteln und den schnellen Rettungsbooten hätte man in der heutigen Zeit wahrscheinlich alle retten können.“

Gerd Hader dankte auch den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Rettungsstationen, die innerhalb von 15 Minuten auslaufbereit wären, durch ständiges Training sowie Übungs- und Kontrollfahrten ein zuverlässiges Team bildeten und zudem viele ehrenamtliche Stunden in die Wartung der Schiffe und sonstiger Ausrüstung investierten. Auch den Arbeitgebern dieser Männer gilt der Dank der Gesellschaft, denn es sei in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich, wenn Mitarbeiter im Einsatzfall sofort ihre Arbeitsstellen verlassen dürften.

Auch Harald Fassmer, Chef der Fassmer-Werft, war von Bremen zur Insel gekommen, um diesen Neubau mit einzuweihen. Rund zehn Meter lang, weniger als einen Meter Tiefgang und 18 Knoten schnell – dies seien nur einige markante technische Daten des neuesten Seenotrettungsbootes. Die Fassmer-Werft hat schon zahlreiche Rettungsboote gebaut und weiter entwickelt, so auch diesen Schiffstyp. Die „Hans Dittmer“ sei z. B. das erste Schiff, dass mit einem neuen fünfflügeligen Antriebspropeller versehen wurde, der für mehr Zugkraft sorge. Mit einem Tiefgang von lediglich 96 Zentimetern kann es auch im anspruchsvollen Tidenrevier mit seinen vielen Sandbänken und Flachs seine vielfältigen Aufgaben erfüllen.

Bei der Kiellegung auf der Schiffs- und Bootswerft Fr. Fassmer in Berne an der Unterweser am 11. Mai 2016 hatte Schauspieler und DGzRS-„Bootschafter“ Markus Knüfken einer Schiffbauer-Tradition folgend in eine Sektion des Neubaus eine glückbringende Münze eingelegt. Das Zehn-Euro-Stück, das die Bundesrepublik Deutschland 2015 zum 150-jährigen Bestehen der DGzRS als offizielles Zahlungsmittel herausgegeben hatte, verweist auf die lange Historie der Station Juist und soll der Besatzung Sicherheit, Glück und Gesundheit verheißen.

Weitere Grußworte sprach Juists Bürgermeister Dr. Tjark Goeges, der sich ebenfalls freute, dass für die Sicherheit der Juister und Gäste dieses moderne Rettungsgerät angeschafft wurde und sprach von „einer großen Tat, die Hans Dittmer und seine Frau getan haben“. Er lobe zugleich die gute Zusammenarbeit der ehrenamtlichen DGzRS-Rettungsmänner mit dem Juister Ortsverein vom DRK, dem Rettungsdienst und der Freiwilligen Feuerwehr. Mit einem Blick auf die Hafenverschlickung versprach Goerges „für die handbreit Wasser unter Kiel im Hafen wird die Inselgemeinde Juist sorgen.“

Gemeindebrandmeister Thomas Breeden betonte die Wichtigkeit der Rettungsstation auf Juist. Trotz anderer Transportwege wie etwa der Hubschrauber zeige die große Zahl von Einsätzen, dass auf die Möglichkeit einer Rettung auf dem Wasserweg nicht verzichtet werden kann. Er ging auch auf die Freundschaft zwischen Feuerwehr und DGzRS ein, immerhin sind einige Juister Männer in beiden Organisationen aktiv. So besetzten auch Mitglieder der Feuerwehr während der Tauffeier den Grill und für die musikalische Begleitung sorgte der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr.

Zur Taufe des neuen Schiffes waren auch viele Seenotretter von den Nachbarstationen gekommen. So Norderneyer mit der „Bernhard Gruben“, die „Elli Hoffmann-Röser“ von Baltrum, die „Cassen Knigge“ vor Norddeich (die wahrscheinlich auch bald gegen ein größeres Schiff ausgetauscht wird) und die „Jan en Titita Visser“ aus dem niederländischen Eemshaven. Ebenso waren einige Wassersportler aus Greetsiel mit ihren Booten nach Juist gesegelt, um dabei zu sein.

Die letzte Taufe hatte die Freiwilligen-Station Juist vor knapp 24 Jahren am 21. Juni 1993 erlebt, als seinerzeit das Seenotrettungsboot „Juist“ auf der Insel getauft worden war. Sie ist heute noch unter dem Namen „Walter Merz“ in Schleswig im Einsatz.

Juist zählt zu den ältesten Stationen der Seenotretter an der Nordsee. Bereits 1861, vier Jahre vor der DGzRS, hatte sich der Verein zur Rettung Schiffbrüchiger an der ostfriesischen Küste gegründet und 1861 eine der ersten Stationen auf Juist und Langeoog errichtet. Wenige Jahre später schloss er sich der DGzRS an. 1957 wurde die Station geschlossen und das letzte Rettungsboot „Hans Hartmann“ abgezogen. Dies hatte wohl damit zu tun, dass auf der Nachbarinsel Borkum mit der „Theodor Heuss“ der erste Seenotkreuzer in Dienst gestellt wurde, der mit zwanzig Knoten zur Einsatzstelle fahren konnte. Doch als in den achtziger Jahren die Wassersportaktivitäten auf dem Wattenmeer und an der Küste zunahmen und neue Sportarten wie etwa das Windsurfen immer mehr Anhänger fanden, entschoss man sich dazu, die Anzahl der Rettungsstationen wieder zu verdichten. 1985 wurde auch Juist wieder mit Stationierung des Seenotrettungsbootes „Ilka“ neu eingerichtet. Erster Vormann wurde seinerzeit Arend Janssen-Visser, Vater des heutigen Vormanns Hauke Janssen-Visser.

Die „Hans Dittmer“ ersetzt auf der Station das Seenotrettungsboot „Woltera“, das seit 2006 auf der Insel stationiert war und künftig wieder in der Ostsee eingesetzt wird. Es handelt sich um einen modifizierten Typ dieser Klasse, der besonders durch einen Spant mehr in der Länge die Unterbringung und Behandlungsmöglichkeiten an Bord für Schiffbrüchige, Erkrankte und Verletzte verbessert.

Das neue Seenotrettungsboot ist eines von derzeit insgesamt zehn beauftragten Neubauten des gleichen Typs – das derzeit letzte soll 2020 seinen Dienst aufnehmen.

Die Eckdaten der neuen Seenotrettungsboote:
• Länge über Alles: 10,1 Meter
• Breite über Alles: 3,61 Meter
• Tiefgang: 0,96 Meter
• Verdrängung: 8 Tonnen
• Geschwindigkeit: 18 Knoten (ca. 33 km/h)
• Besatzung: Freiwillige
• Antrieb: ein Propeller, 380 PS

Wie alle Einheiten der Seenotretter werden die neuen Seenotrettungsboote als Selbstaufrichter konstruiert und vollständig aus Aluminium im bewährten Netzspantensystem gebaut. Der Bootstyp zeichnet sich durch hohe Seetüchtigkeit aus. In Grundsee und Brandung besitzt er gute See-Eigenschaften, manövriert einwandfrei, übersteht heftige Grundstöße und ist in der Lage, dank des rundumlaufenden Fendersystems auch bei höheren Fahrtstufen und unter erschwerten Bedingungen bei Havaristen längsseits zu gehen.

Bei der Konstruktion wurden umfassende Sicherheitskriterien berücksichtigt. Die neuen Seenotrettungsboote werden mit modernster Navigationstechnik, leistungsstarken Schlepp- und Lenzgeschirren sowie einer umfangreichen Ausrüstung zur medizinischen Erstversorgung ausgestattet.

Die DGzRS ist zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält sie rund 60 Seenot¬rettungskreuzer und -boote auf 54 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten einsatzbereit – rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2.000 Einsätze, koordiniert von der SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre). Die gesamte unabhängige und eigenverantwortliche Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch freiwillige Zu¬wendungen finanziert, ohne Steuergelder. Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen mehr als 84.000 Menschen aus Seenot gerettet oder drohenden Gefahren befreit. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident.

TEXT: STEFAN ERDMANN und DGZRS/ANTKE REEMTS
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN (10) und DGzRS/INGO WAGNER (7)
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